Osternacht

15. April 2017
Evangelische Jugendkirche,
Adolf-Todt-Straße 9

 

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Um Mitternacht hörte man die Glocke und den lauten Gesang der „Nachbarn“: „Das ist die griechisch-orthodoxe Gemeinde“, erklärte Stadtjugendpfarrerin Astrid Stephan. „Nicht oft fällt das orthodoxe Fest mit unserem Osterfest zusammen.“ So begegneten die evangelischen Christen, die die Osternacht in der Evangelischen Jugendkirche gefeiert hatten, in den Straßen von Biebrich vielen Griechen, die ebenfalls brennende Kerzen nach Hause trugen. Auch der Osternachtgottesdienst in der Oranier-Gedächtniskirche hatte mit dem Entzünden von Kerzen geendet, und in einer Feuerschale vor der Kirche wurden Klagen und Probleme, die auf Zettel geschrieben waren, feierlich verbrannt und mit dem Rauch gen Himmel geschickt.

Das Team des Stadtjugendpfarramtes hatte zahlreiche kleine Aktionen wie diese vorbereitet, um die zweieinhalbstündige Osternachtfeier zu einem stimmungsvollen  Fest werden zu lassen. Auch wenn es nur ungefähr zwei Dutzend junge und ältere Besucher waren, die zu der Veranstaltung unter dem Motto „Back to Life“ gekommen waren, gelang es sehr gut, eine wunderbare Atmosphäre in der speziell beleuchteten Kirche zu erzeugen. „Viele sind in ihren eigenen Gemeinden und feiern die Osternacht“, erklärte Astrid Stephan den vergleichsweise geringen Besuch der Veranstaltung. Die, die da waren, hörten Texte und Lieder  von Dietrich Bonhoeffer und den „Ärzten“, von Gregor Meyle und Andreas Bourani , gefühlvoll vorgetragen von der fünfköpfigen Band des Stadtjugendpfarramts.

An mehreren Stationen vor und in der Kirche gestalteten Astrid Stephan und die Jugendlichen verschiedene Themenfelder, in diesem Jahr vor allem mit politischem Inhalt. Warum reagieren derzeit so viele Menschen gewalttätig auf die Herausforderungen der Zeit? Was können wir dagegen tun? Was wünschen wir uns für eine friedlichere Zukunft? Das wurde nicht nur in Worte gefasst, sondern auch kreativ gestaltet. Die Besucher konnten eine eigene kleine Osterkerze verzieren oder ein Beton-Ei mit einem Wunsch beschreiben. In einem Text von Dietrich Bonhoeffer kam zum Ausdruck, dass „Dummheit ein gefährlicherer Feind des Guten ist als Bosheit. Gegen das Böse lässt sich protestieren, es lässt sich bloßstellen, es lässt sich notfalls mit Gewalt verhindern, das Böse trägt immer den Keim der Selbstzersetzung in sich, indem es mindestens ein Unbehagen im Menschen zurücklässt. Gegen die Dummheit sind wir wehrlos. … Daher ist dem Dummen gegenüber mehr Vorsicht geboten als gegenüber dem Bösen.“

Diese Worte, die der Theologe vor seiner Ermordung 1945 im Gefängnis schrieb, klingen heute aktueller denn je. Dass Populismus und Gewalt keine Lösung sein können, brachten die Jugendlichen in ihren Gebeten und Fürbitten eindrucksvoll vor. Sie trugen ein Kreuz zum Altar, das sie vorher mit Stacheldraht umwickelt hatten. Zu Worten aus der Bergpredigt rissen sie eine symbolische Mauer aus Kartons ein. Raum für Stille und für das persönliche Gespräch wurde den Besuchern des ungewöhnlichen Osternachtgottesdienstes ebenfalls gegeben.

Mit einer farbenfrohen Beleuchtung und vielen Kerzen gab es auch optisch die passende Untermalung für die meditativ-feierliche Stimmung der Nacht.  Als zum Beginn des Ostermorgens die Lichtstimmung sich änderte und sehr passend die Glocke der griechischen Nachbargemeinde läutete, erklang das Schlusslied  – ungewöhnlich für einen Gottesdienst, aber doch eigentlich durchaus passend zur österlichen Freude: „Always look at the bright side of life!“